Die vielen falschen Geschichten über die Geschehnisse in der Villa de Cofete wurden mit der Erwähnung der Existenz eines Stacheldrahtzauns am Anfang der Finca geschmückt, der den Zugang der Menschen nach Jandía verhinderte, da es von Vorteil war, das Geschehen in Cofete geheim zu halten. Ebenso wie diese Geschichten auf der Unkenntnis des Baudatums der Villa beruhen und fälschlicherweise behaupten, sie sei während des Zweiten Weltkrieges gebaut worden, obwohl damit in Wirklichkeit erst Jahre nach Kriegsende gestartet wurde, so werden auch das Baudatum und der Zweck des Stacheldrahtzaunes falsch dargestellt.
Seit dem 15. Jahrhundert gibt es eine Mauer, La Pared de Jandía, eine prähispanische Konstruktion, die sich in der Landenge befindet, die die Jandía-Halbinsel mit dem Rest der Insel verbindet und die Königreiche Maxorata und Jandía voneinander trennt. Die etwa 6 km lange Mauer erstreckte sich von Küste zu Küste (von Barlovento – La Pared – bis Sotavento – Matas Blancas).
Auf Seite 3 des Briefes Nr. 10 von Guillermo Schrauth an Arturo Kamphoff vom 16.12.46 kann man unter der Überschrift „Muro del Jable“ lesen: „Von der alten Mauer sind nur noch wenige Überreste erhalten, ca. 1.000 m. Die Höhe schwankt zwischen 20 cm und ca. einem Meter und dass vor Jahren, als eine große Menge Kalkstein aus Fuerteventura geholt wurde, die Mauer abgetragen wurde, um die Steine bequemer verfügbar zu haben“.
Bereits im Brief Nr. 38 von Guillermo Schrauth an Gustav Winter vom 5.10.46, in dem er die Ankunft von Meister Juan Concepción Villalba und seine Abreise nach Cofete ankündigte, um mit den Arbeiten zu beginnen, wird auf Seite 4 des genannten Dokuments unter der Überschrift: „Muro de la Pared“ erwähnt, dass die alte Mauer, die von Meer zu Meer verläuft, eine Länge von 6.725 Metern hat und dass sie mit Kalk und Steinen wiederaufgebaut werden könnte.
Obwohl er in dem ersten Brief ankündigt, dass die Wiederaufbauarbeiten in einem Monat beginnen könnten, war Gustav Winter damit nicht einverstanden, da er bereits Erfahrungen mit Mauern gemacht hatte, die in verschiedenen Gebieten von Jandía errichtet worden waren, um den Zugang des Viehs zum Waldgebiet und zu den Erntefeldern zu verhindern. Das waren Mauern, die in Dürrezeiten mit Leichtigkeit zerstört wurden und so konnte das Vieh sie überqueren.
1949 beschloss man, als der „Convenio de Medianiería“ (Teilpachtvertrag) mit den Teilpächtern unterzeichnet wurde, den „Stacheldrahtzaun“ mit Holzpfosten und Stacheldraht zu bauen.
Die Medianería* (Teilpacht) war das vorherrschende System der Landnutzung seit dem 16. Jahrhundert auf den Kanarischen Inseln.
(*) Medianería: alte Form der landwirtschaftlichen bzw. viehwirtschaftlichen Pacht, bei der die Kosten und Gewinne zur Hälfte zwischen dem Grundeigentümer und den (Teil)Pächtern aufgeteilt werden. Diccionario básico de canarismos (Grundwörterbuch der kanarischen Sprache)
Daher war der Bau des Stacheldrahtzaunes hauptsächlich durch die Viehzucht begründet:
- Zum einen ging es darum, den Ausgang und den Verkauf von Vieh und Ernteprodukten ohne Kontrolle außerhalb der Finca zu verhindern (da der Eigentümer der Finca Anspruch auf 50 % der Produktion hatte).
- Zum anderen lag es aber auch im Interesse der Teilpächter, zu verhindern, dass fremde Tiere (deren Produktion nicht abgegeben wurde) zum Weiden in die Finca eindrangen, wodurch sich das verfügbare Futter für ihre eigenen Tiere reduzierte.
- Schlussendlich sollte auch verhindert werden, dass Lämmer von außerhalb in den Jable eindringen und die 1948 erworbenen Schafe der Finca der Rasse Karakul decken, die sich im Jable-Gebiet befanden und nur mit reinrassigen Schafböcken derselben Rasse gepaart werden durften (sie wurden eingeführt, um hochwertige Felle für die Herstellung von Astrachan-Mänteln zu gewinnen). Die Landlämmer, die sich schon in der Finca befanden, mussten kastriert werden. Für die Zucht der Karakulschafe war eine Sondergenehmigung der Generaldirektion für Viehzucht des Landwirtschaftsministeriums erforderlich. Wenn die Reinheit der Tiere nicht gewährleistet war, wurde dem Züchter die Genehmigung entzogen. Letztenendes war der wirtschaftliche Ertrag nicht der erwartete und die Zucht der Karakulschafe wurde 1957 eingestellt.
Es werden Dokumente über die Liste der Teilpächter der Dehesa de Jandía, die den Teilpachtvertrag unterzeichnet haben, aus den Jahren 1948 und 1949 zur Verfügung gestellt. Diese beinhalten die Liste der Tiere, die sie besaßen, die Aussaatfläche sowie das Tal, in dem jeder Einzelne von ihnen wohnt.
In dieser Liste der Teilpächter erscheint Herr Rafael Matos Viera aus Pecenescal an Position 38. Im Oktober 1976 begann er mit mehreren Familienmitgliedern in der Villa in Cofete zu wohnen (weitere Informationen sind im Abschnitt Das Leben des Hauses zu finden).
Obwohl er in der Liste der Teilpächter nicht auftaucht, war Hamed (genannt „Jamete“, im Zusammenhang mit dem Foto in der Villa von Cofete im September 1938 erwähnt) in den Jahren 1949 bis 1951 für das Vieh im Gebiet um El Jable verantwortlich.
Im Haus von Matas Blancas am Anfang der Finca, wohnte ein vereidigter Wachmann, Herr José Viera Torres, ein Einwohner von Morro Jable, der den Zugang zur Finca kontrollierte. Zu diesem Zweck war es erforderlich, die Genehmigung seiner Ernennung beim Stadtrat von Pájara zu beantragen (Antrag vom 4. August 1949).
Für den Bau des Stacheldrahtzaunes wurden Zaunpfählen aus La Palma gebracht. Dieses Dokument enthält:
- Brief von Arturo Kamphoff (Las Palmas) an Gustav Winter (neu in Jandía niedergelassen) vom 17.09.1948 mit einem Kostenvoranschlag von der Firma Explotación Forestal, Agrícola y Comercial „El Canal“ aus La Palma für 6.000 Zaunpfähle, die für Fuerteventura bestimmt sind.
- Brief von Arturo Kamphoff an Gustav Winter vom 4.1.49 mit der Überschrift „1.000 Zaunpfähle aus La Palma“, in dem er die baldige Ankunft der ersten 1.000 Zaunpfähle aus La Palma ankündigt.
- Brief von Arturo Kamphoff an Gustav Winter vom 8.6.49 über den Erhalt und die Preise der von La Palma aus verschickten Zaunpfählen.
- Ein Vermerk von Gustav Winter an den Wachmann José Viera Torres vom 9. August 1949 mit Anweisungen zum Aufstellen der ersten Zaunpfähle.
Auf Seite 2 des Briefes von Arturo Kamphoff an Gustav Winter vom 29.9.1949 wird die bevorstehende Lieferung von 140 Rollen Stacheldraht auf der Guanchinerfe (Schiff) erwähnt, und dass er Kapitän Don Miguel bitten wird, sie in Matas Blancas abzuladen.
Wir fügen einen Brief von Gustav Winter an den Wachmann, Don José Viera Torres, vom 17.12.1949 bei, in dem er über die bevorstehende Ankunft einer Gruppe von Jägern der Sociedad de Cazadores (Gesellschaft der Jäger) informiert wird, um lebende Kaninchen zu fangen und auf anderen Inseln wieder anzusiedeln. In den Jahren 1953 und 1954 wurde El Jable von einer Kaninchenplage heimgesucht, wodurch das Gras für das Vieh verknappte und es wurden mehrere Treibjagden durchgeführt, um ihre Zahl zu verringern. Der Brief erwähnt auch, dass „der Lieferwagen, wie Sie wissen, El Jable nicht überqueren kann“. Bis die Straße bedingt durch die „Eclipse“ von 1959 (Finsternis) neu gestaltet wurde, war El Jable ein enormes natürliches Hindernis für die Zufahrt nach Jandía und die Kommunikation und der Transport zwischen Morro Jable und Matas Blancas erfolgten hauptsächlich per Barkasse.
Diese Schwierigkeit, El Jable in jenen Jahren mit dem Auto zu überqueren, spiegelt sich in dem großartigen Roman „Cerco de arena“ (Sandzaun) von Enrique Nácher wider, der in Jandía spielt und 1961 geschrieben wurde. Servicio de publicaciones des Excmo. Cabildo Insular de Fuerteventura (Dienst für Veröffentlichungen des Inselrates), ISBN84-87461-57-3.
Die Prüfung dieser Unterlagen hat ergeben, dass der berühmte Stacheldrahtzaun von Jandía nicht vor 1949 existierte, dass mit seinem Bau erst in jenem Jahr begonnen wurde und zu dem bereits erwähnten Zweck, die Ein- und Ausfahrt der Produktion aus der Finca aufgrund des Teilpachtvertrages zu kontrollieren. Die Durchfahrt von Personen und Fahrzeugen war über den Posten von Matas Blancas erlaubt, wo der Wachmann wohnte.
Die Kontrolle der Durchfahrt über Matas Blancas wurde im Dezember 1962 eingestellt. Zum damaligen Zeitpunkt wurde die Aufteilung von 25 % der Finca an Terrenos Canarios S.A. —R.Myhill— und weitere 25 % an die Töchter von Herrn Manuel Girona vereinbart. Außerdem ging die Land- und Viehwirtschaft aufgrund von Dürreperioden und geringen Erträgen zurück und die ersten Schritte der Tourismusindustrie begannen: Der Stacheldrahtzaun verschwindet.